Neue Westfälische vom 3/4 November (Wochenendausgabe)
Interview von Alexander Lange
„Traurigkeit gehört zum Leben dazu“
Stimmungsschwankungen: Psychotherapeutin Sigrid Panter – Depping erklärt im Interview das Phänomen „Herbst – Blues“, wieso die Jahreszeit aufs Gemüt schlägt und wer davon betroffen ist
Gütersloh. Zwölf Grad, Regen und ein dunkler Himmel. Dass der Herbst nicht immer golden ist, zeigt sich beim Blick aus dem Fenster. Jeder vierte Bundesbürger verfällt während dieser Jahreszeit dem sogenannten „Herbst-Blues“, einer Form der Depression und Stimmungsschwankung. Die Neue Westfälische hat mit der Gütersloher Psychotherapeutin Sigrid Panter-Depping über den Herbst-Blues, die Gründe und Behandlungsmöglichkeiten gesprochen.
Frau Panter-Depping, die dunkle Jahreszeit drückt ja bekanntlich auf die Stimmung. Aber was genau ist der Herbst-Blues?
Panter-Depping: Beim Herbst-Blues handelt es sich um eine emotionale Störung, die im Zusammenhang mit der Herbst- und Winterzeit auftritt.Wenn die Blätter fallen, die Natur zur Ruhe kommt, es kälter wird, die Sonne weniger scheint und die Tage kürzer werden, reagieren viele Menschen mit einem Stimmungstief. Manchmal wird der Herbst-Blues auch Herbstdepression genannt. Im Frühjahr, wenn die Tage wieder länger werden, geht der Herbst-Blues vorüber.
Wie macht sich der Herbst-Blues bemerkbar? Was sind die Ursachen?
Panter-Depping: Der Herbstblues kann verschiedene Anzeichen haben: Gedrückte Stimmung, Antriebslosigkeit, Nachlassen der Leistungskraft, vermehrtes Schlafbedürfnis, vermehrtes Verlangen nach Süßem und Kohlehydraten verbunden mit einer Gewichtszunahme. Ursachen gibt es viele. Weil der Körper in der lichtarmen Jahreszeit weniger Serotonin ausschüttet, fördert das die Depression. Gleichzeitig produziert unser Körper in dieser Zeit mehr von dem müde machenden Schlafhormon Melatonin. Es wird anhand der Entwicklungsgeschichte vermutet, dass der Herbst-Blues nichts anderes als die Vorbereitung des Körpers auf den Winterschlaf ist. Nur dass der Winterschlaf beim Menschen eben nie eintritt.
Wer ist von dem Herbst-Blues betroffen?
Panter-Depping: Bereits jeder vierte Bundesbürger klagt über die Beschwerden. Frauen leiden viermal häufiger als Männer an der Herbstdepression. Bei den meisten Betroffenen machen sich die Symptome mit Mitte zwanzig zum ersten Mal bemerkbar. Wer einmal eine heftige Herbstdepression erlebt hat, kann sie jedes Jahr wieder bekommen.
Werden die Symptome durch „Vorerkrankungen“ verstärkt oder kann der Herbst-Blues bei jedermann auftreten?
Panter-Depping: Sind in einer Familie häufiger depressive Erkrankungen aufgetreten, so besteht eine größere Wahrscheinlichkeit, zu einer depressiven Erkrankung zu neigen.
Ab wann sollte man sich ernste Gedanken machen?
Panter-Depping: Gelegentliche Traurigkeit ist normal und gehört zum Leben dazu. Sie geht vorbei, wenn man geeignete Maßnahmen ergreift. Von einem Herbst-Blues kann man erst sprechen, wenn die depressive Stimmung über zwei Wochen anhält. Aus einem anfänglichen HerbstBlues kann eine schwere Depression werden, die dringend professionelle Hilfe durch Psychotherapeuten und Ärzte erfordert.
Was kann man gegen den Winter-Blues tun?
Panter-Depping: Bewegung hilft. Auch bei schlechtem Wetter sollte man sich mindestens eine halbe Stunde an der frischen Luft bewegen. Das bringt Psyche und Stoffwechsel auf Trab. Eine gesunde Ernährung, viel Obst und Gemüse helfen ebenso. Und auch ein Stückchen Schokolade soll ja bekanntlich glücklich machen. Orangene, gelbe und rote Farbtöne hellen die Stimmung auf, mit besonderen Düften können gleichzeitig Erinnerungen an den Sommer und die Sonne geweckt werden. Auch Musik ist eine gute Medizin. Die Leute sollen mittanzen und wenn sie Spaß daran haben, einen Chor besuchen. Oder sich einfach mit Freunden treffen. Jede Bewegung ist depressionsmindernd. Wer sehr stark unter der Winterdepression leidet, kann auch eine Lichttherapie mit Tageslichtlampen machen. Das bieten verschiedene Ärzte und Kliniken an.